Melanie Bernstein zur aktuellen Lage in Berlin

Nach einem Tag Nachdenken und einigen langen Spaziergängen an der frischen Luft hier ein paar Gedanken von Melanie Bernstein zur Lage in Berlin.

Fakt ist: die Bundesregierung, geschrumpft zur „Fußgängerampel“, ist handlungsunfähig. Der Rückzug der FDP aus der Koalition hinterlässt Olaf Scholz ohne eigene Mehrheit im Parlament. Dieser Stillstand passiert in einer Situation, in der die Wirtschaft schwächelt, Industrieunternehmen reihenweise unser Land verlassen und wir in unserer nationalen Sicherheit bedroht sind, wie seit dreieinhalb Jahrzehnten nicht mehr.

Aus dieser Lage kann es nur einen Ausweg geben: wir brauchen so schnell wie möglich eine neue Regierung, die umgehend die großen politischen Herausforderungen anpackt, die vor uns liegen. Die in Teilen noch amtierende Bundesregierung hat in den letzten drei Jahren gezeigt, dass sie dazu nicht in der Lage ist. Was in der vergangenen Woche in Berlin geschah, ist in der politischen Geschichte der Bundesrepublik ohne Beispiel.

Die persönliche Abrechnung von Olaf Scholz mit seinem Finanzminister, ohne jeglichen Hauch von Selbstkritik, lässt tief blicken. Eine solche Stillosigkeit sagt mehr über den Kanzler aus, als über den Finanzminister. Dabei hat Christian Lindner, bei aller berechtigten Kritik seiner Amtsführung, in diesem Fall lediglich das Aushebeln der Schuldenbremse verhindern wollen. Scholz‘ Handeln ist keine Führung, das ist selbstverliebtes Gezeter ohne einen einzigen Gedanken an das Land und seine Menschen.

Aus den Fraktionen von SPD und Grünen ist nicht einmal der Hauch von Einsicht zu spüren – und das, nachdem ihre Bundesregierung gerade krachend gescheitert ist. Stattdessen gibt es Schuldzuweisungen an die CDU, ultimative Forderungen, Projekte der SPD mitzutragen und als Höhepunkt: die Kopplung von Gesprächen über den Wahltermin an Zugeständnisse der Union. Das heißt, Olaf Scholz möchte jetzt nicht nur andere für sein Scheitern verantwortlich machen, sondern er nimmt gleich ein ganzes Land in seine parteipolitische Geiselhaft. Dabei hat er natürlich die Hoffnung, dass die anstehenden Wahlen in Hamburg seiner SPD wieder ein wenig Aufwind geben. „Schaden vom Volk abwenden“, wie es im Amtseid heißt, sieht anders aus! Und der Vizekanzler? Statt sich mit Hochdruck einem Weg aus diesem Schlamassel zu widmen, setzt sich Robert Habeck mit zahlreichen professionell produzierten Videos als neuer „Kanzlerkandidat“ der Grünen in Szene.

Den Wunsch nach schnellen Neuwahlen, den eine übergroße Mehrheit der Deutschen teilt, bezeichnete der SPD-Fraktionsvorsitzende Mützenich als „Popanz, den die Menschen nicht wollen“. Dabei werden die Ausreden immer absurder. Zuerst hieß es, man wolle „wichtige Projekte“ noch verabschieden, als hätte man nicht drei Jahre Zeit gehabt. Dann, ein Wahlkampf im Winter wäre den Menschen nicht zuzumuten. Das perfideste Argument war, dass man ja sonst der Ukraine nicht mehr helfen könne – ausgerechnet von der SPD, die jede militärische und finanzielle Hilfe bis dato verschleppt und nur unter Druck höchst widerwillig geleistet hat. Jetzt sei also kein Papier für Wahlzettel da. Ich bin gespannt, was als nächstes kommt. Eine solche Respektlosigkeit gegenüber den berechtigten Sorgen der Menschen in unserem Land habe ich in meiner Lebenszeit noch nicht erlebt.

Das ist eine Gemengelage, die für unser Land und seine Menschen unerträglich ist. Ich glaube, dass die Wählerinnen und Wähler derartige Taschenspielertricks durchschauen. Ja, man kann auch an 16 Jahren CDU-geführter Bundesregierung berechtigte Kritik üben. Aber solch ein Chaos hätte keine Angela Merkel und auch kein Helmut Kohl zugelassen. Und weil gestern der Jahrestag des Mauerfalls war, ein letzter Gedanke: Wir können froh und dankbar sein, dass 1989/90 nicht ein Olaf Scholz im Kanzleramt saß – sonst wäre Deutschland nämlich bis heute nicht wiedervereinigt.