Patrick Pender - Wir wollen allen Kindern die für sie bestmögliche Wertschätzung zukommen lassen

Menschen mit Behinderungen haben ein Recht auf Bildung. Mit der 2009 verabschiedeten UN-Behindertenrechtskonvention ist dieser humanistische Grundsatz als politischer Entwicklungsauftrag für ein inklusives Bildungssystem zu verstehen.

Kinder und Jugendliche entwickeln sich wegen der verschieden stark ausgeprägten Beeinträchtigungen ganz unterschiedlich. Daher wirkt die UN-Konvention auch auf ein Schulsystem hin, bei dem alle Kinder jene passende sonderpädagogische Förderung erhalten, die sie in ihren Bildungs-, Entwicklungs- und Lernmöglichkeiten benötigen.

Förderschulen sind hervorragende Orte für die Vermittlung von Alltagskompetenzen und Bildung. Im Schuljahr 2021/2022 gingen in Schleswig-Holstein über 6.000 Schülerinnen und Schüler auf eine Förderschule.

In Vorbereitung auf diese Rede heute, habe ich ein Förderzentrum in meinem Wahlkreis mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung besucht. Die fürsorgliche Arbeit der Lehrkräfte an der sozialen und persönlichen Weiterentwicklung der Kinder haben mich dabei stark beeindruckt.

Die pädagogischen Fachkräfte richteten im Klassenraum ihre volle Aufmerksamkeit auf das einzelne Kind mit seinen individuellen Fähigkeiten und Stärken, seinen jeweiligen Entwicklungsfeldern.

Das wertschätzende Miteinander wird von den Schülern untereinander in den Klassen vertieft, die Kinder fühlen sich wohl und erleben ein Erfolgsempfinden. Das Kind kann spüren, was es kann.

Zu sehen, was die Kinder und Jugendlichen trotz ihrer Beeinträchtigungen leisten können, ob in der Kunst, Kommunikation, dem Schreiben oder dem Handwerk, dem Sport oder der Musik - und welche Lernerfolge dabei über einen längeren Zeitraum erzielt werden, gebührt Achtung und Respekt.

Die Studie der Bertelsmann Stiftung „Jugendliche ohne Hauptschulabschluss“, die Anlass und Grund für die heutige Debatte gibt, wird diesen Lernerfolgen nicht gerecht. In der Studie wird angeführt, dass fast die Hälfte der Schülerinnen und Schüler ohne Schulabschluss mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf an Förderzentren unterrichtet wurden. Eine solche Auffassung, ein Schulabgang ohne Anerkennung, verwirft den inklusiven Gedanken und ist dem individualisierenden Leistungsbegriff widersprüchlich.

Die Wahrnehmung der Schüler, dass sie kaum Aussicht auf einen Ausbildungsplatz haben, da ihre bisherigen Erfolge als kein Abschluss gewertet werden, löst einen Abkühlungsprozess aus, der als „Cooling-Out“ auch zur vollständigen Abkehr von Ausbildungsaspirationen führen kann.

Ich begrüße es daher sehr und bedanke mich bei unserer Bildungsministern, dass Sie sich für die Anerkennung der Leistungen von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Rahmen zieldifferenter Schulabschlüsse einsetzt.

Eine solche Anerkennung ist Ausdruck gelebter Inklusion!

Es sollte unser aller politischer Konsens sein, diesen Schülern in ihrem Selbstvertrauen und ihrer Selbsttätigkeit bestmöglich zu stärken. Das stigmatisierende Etikett als „lernbehindert“ sollte heute schon lange nicht mehr als zutreffend gelten.

Bereits jetzt gibt es mehrere Projekte im Land, bei denen ehemalige Schüler im Anschluss nach der Förderschule bei Betrieben arbeiten. Statt Generalisten, werden schließlich oftmals Fachkräfte als Spezialisten in Betrieben sehnsüchtig gesucht, deren Ausübung jeweils eine spezifische Fertigkeit erfordern.

Weitere Anschlussmöglichkeiten nach Verlassen der Förderschule bieten der Berufsbildungsbereich in einer Werkstatt für behinderte Menschen und Einrichtungen der Jugendhilfe oder der Berufsbildungswerke.

Beim Übergang von Schule in den Beruf ist es der richtige Weg die Kooperationsmöglichkeiten weiter im Land zu stärken. Maßnahmen zur beruflichen Qualifizierung und der Inklusiven Berufsorientierung wollen wir desshalb unterstützen und erweitern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Wir neigen manchmal zu oft bloß auf Zahlen oder Zertifikate zu schauen. Stattdessen sollten die erlernten und geförderten Fähigkeiten von jungen Menschen mit Beeinträchtigungen im Blickpunkt stehen.

Mit unserem Antrag legen wir unser Augenmerk auf eben jeden einzelnen Schüler, nicht nur, indem wir die individuelle Leistung anerkennen wollen, sondern wir stärken darüber hinaus die Maßnahmen zum Übergang von Schule in die Berufswelt.

Wir wollen Schule und Unterricht stetig weiterentwickeln und allen Kindern die für sie bestmögliche Wertschätzung und Unterstützung zukommen lassen, um ein Lernen für ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.

Ich schließe meine Rede mit den Worten, die mir der Schulleiter bei unserem Gespräch am Förderzentrum mitgab:

„Alles an unserer Schule ist besonders, nur nicht unsere Schülerschaft. Die ist ganz normal, man muss nur genau hinschauen.“